Obwohl Sie bei jeder Frage vier Gelegenheiten haben, einer Täuschung auf die Schliche zu kommen, sollte Ihnen eine Tatsache bewusst sein – und das sollte auch zum Mantra eines jeden Ermittlers oder Wahrheitssuchenden werden: »Es gibt kein untrügliches Indiz oder eine Verhaltensweise, die eine Lüge zweifelsfrei belegt.« Man kann nach Verhaltensweisen Ausschau halten, die auf Unbehagen oder Unstimmigkeiten hinweisen, aber man kann niemals behaupten und mit Sicherheit niemals beweisen, dass diese Verhaltensweisen per se ein Ausdruck von Täuschung sind. Warum? Ganz einfach: Weil es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, Lügen zu erkennen. Die Forschungsergebnisse seit 1986 sind diesbezüglich überzeugend, und die vielen Entlastungen durch DANN-Tests bestätigen ebenfalls: Hinweise auf Stress deuten nicht zwangsläufig auf eine Täuschung hin (Ekman 1991, 162; Vrij 2000, 5–31). Oder, wie Dr. Mark G. Frank es so treffend ausdrückt: »Wenn es um Täuschungen geht, gibt es leider keinen Pinocchio-Effekt« (Navarro 2008, 230). So ausführlich die nachfolgende Liste auch sein mag, keine dieser Verhaltensweisen ist von Nutzen, wenn die befragte bzw. verhörte Person im Gesprächsverlauf unter Druck gesetzt oder eingeschüchtert wird. Sobald Sie die Intimsphäre verletzen und zeigen, dass Sie ihm keinen Glauben schenken, spielen alle Verhaltensweisen keine Rolle mehr. Und zwar schlichtweg, weil diese Dinge Stress verursachen – und das bedeutet, dass man voraussichtlich viele der stressbedingten Verhaltensreaktionen zu sehen bekommt. Diese sind allerdings auf Ihr Verhalten als Gesprächsführer zurückzuführen und haben ihre Ursache keineswegs darin, dass der Gegenüber Wissen vorenthält oder angesichts der Fragen Unbehagen empfindet. Jeder gute Gesprächsführer weiß, dass es in Kommunikationssituationen darum geht, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, in der sich Ihr Gegenüber wohlfühlt, mit möglichst wenig Stress, damit wir eventuelle Verhaltensänderungen bemerken. Rapport aufzubauen ist also hilfreich, ebenso der Verzicht auf weitere anwesende Personen (als 4-Augen-Gespräche). Je mehr Menschen sich im selben Raum befinden, desto belastender ist die Situation und desto schwieriger wird es, den Gesprächspartner zu lesen.